Wenn wir Arbeitsschützer die Gerüstkonstruktionen in Neubaugebieten sehen, stehen uns regelmäßig die Haare zu Berge. Da werden unterschiedliche Hersteller munter miteinander kombiniert, einzelne Sicherungselemente weggelassen oder andere kuriose Konstruktionen erstellt.
Auch wenn in der Industrie ein solcher Wildwuchs nicht üblich ist, kommt es auch hier trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer wieder zu Unfällen an Gerüsten. Bei uns im Chemiepark ist beispielsweise einmal ein Mitarbeiter beim Rückwärtslaufen auf dem Gerüst eine Etage tiefer gestürzt. Und das alles nur, weil er nach dem Aufstieg vergessen hatte, die Klappe über der Leiter wieder zu schließen. Wir machen unsere Mitarbeiter seitdem nicht nur in der Unterweisung besonders darauf aufmerksam, sondern versehen alle Klappen mit einem Aufkleber, der die Kollegen daran erinnert.

Genau geregelt

Ein Gerüst gilt als besonderes Arbeitsmittel, dessen Aufbau durch verschiedene Normen und die DGUV Information 201-011 (BGI 663) geregelt wird. Es darf daher nur von befähigten Personen aufgebaut werden - entweder nach der Aufbau- und Herstellanleitung - oder mit einem separaten Nachweis. Im Anschluss bestätigt der Gerüstbauer mit dem Gerüstschein, dass er die Arbeiten ordnungsgemäß erledigt hat. Was oft vergessen geht: Dieses Übergabeprotokoll müssen Sie drei Monate über die Standzeit des Gerüstes hinaus aufbewahren. Denn bei einem Unfall verlangt die Behörde direkt alle Nachweise.

Aber auch Betreiber und Nutzer von Gerüsten sind verpflichtet, sie zu prüfen. So müssen Sie als Betreiber unter anderem kontrollieren, ob das Gerüst den betrieblichen Anforderungen entspricht und beispielsweise Feuerlöscher, Notduschen oder Armaturen weiterhin erreichbar sind.
Sie sollten ein Gerüst außerdem immer dann auf offensichtliche Mängel untersuchen, wenn Sie das Gerüst davor einige Zeit nicht betreten haben – also bereits dann, wenn Sie mit Ihrer Arbeit nach der Mittagspause weitermachen. Denn es kommt immer wieder vor, dass jemand eine Schelle löst, um irgendwo besser heranzukommen. Gerade wenn Gerüste in Stillstandszeiten für mehrere Zwecke benötigt werden, sollte jeder Mitarbeiter kontrollieren, ob es für seinen Bedarf geeignet ist.

Denken Sie auch daran, dass Sie Ihr Gerüst nicht nur bei der Abnahme, sondern auch nach unvorhergesehenen Ereignissen noch einmal prüfen lassen müssen. Nur so stellen Sie sicher, dass sich beispielsweise nach einen Sturm nichts gelöst oder gelockert hat.

Gute Planung ist das A und O

Auch wenn es im Alltag oft schnell gehen soll: Scheuen Sie im Zweifel nicht den Aufwand für den Aufbau eines Gerüsts. Lässt sich der Aufbau – wie bei einem Stillstand – schon im Vorfeld planen, sprechen Sie Ihren Gerüstbauer möglichst frühzeitig an, er weiß, wie Sie auch bei speziellen geometrischen Formen sicher in die Höhe kommen. Gerade bei solchen Sonderformen sollten Sie und Ihre Mitarbeiter darauf achten, dass auch eventuell in den Ecken quer liegende Bretter oder Böden gegen Aushub gesichert sind und nicht verrutschen können – ein Aspekt, der gerne einmal übersehen wird.
Das Gleiche gilt bei baulichen Veränderungen. Bei Gerüsten vor einer Wand kann sich beispielsweise durch ein aufgestemmtes Loch der ungeschützte Bereich zwischen Wand und Gerüst auf mehr als 30 Zentimeter vergrößern. Dann ist diese Stelle nicht mehr sicher.

Überlegen Sie außerdem, für welchen Zweck Sie das Gerüst benötigen. Sollen darauf schwere Lasten abgelegt werden können? Benötigen Sie einen Auffangbereich für Dacharbeiten? Oder: Wäre ein Kettenzug hilfreich, um Equipment auszutauschen?

Typische Nachlässigkeiten mit großem Risiko

Wir erleben immer wieder Verhaltensweisen, die Nutzer aber auch Unbeteiligte in Gefahr bringen können. Eigenständig den Handlauf abzubauen, weil man gerade in dieser Höhe an etwas heran muss, ist zum Beispiel keine gute Idee. Denn nachträgliche Veränderungen darf nur der Gerüstbauer vornehmen. Auch beim Umgang mit Material ist erhöhte Aufmerksamkeit gefordert. Auf einer Höhe von 20 Metern können auch Schrauben oder Werkzeuge zum tödlichen Geschoss werden. Lagern Sie deshalb nur das auf dem Gerüst, was Sie gerade für die konkrete Tätigkeit brauchen und sichern sie auch Kleinteile gegen Absturz.

Übrigens: Auch bei der Benutzung von Leitern kann einiges schiefgehen. Bleiben Sie deshalb immer mit drei Punkten in Kontakt mit der Leiter und halten Sie sich an den Sprossen und nicht an den Holmen fest. Auch Equipment kommt besser mit dem Kettenzug oder notfalls über Eimer, Seil und mit der Unterstützung eines Kollegen nach oben. Damit Sie alle Hände für’s Klettern frei behalten.